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Dr. Josef Wimmer · October 16, 2021

Für H.L.

Lichter in dunkler Zeit: davon lohnt es sich zu erzählen!

Neulich war ich mit meinem Freund S. in der Sauna; danach hatte ich noch Lust auf einen Restaurantbesuch – war ich doch negativ getestet gewesen und konnte deshalb sogar problemlos in einem Gasthaus essen. Mein Freund wollte lieber nachhause; so bin ich allein zu einem Italiener. Ich hatte schon die Vorstellung von einem „Melanzane alla parmigiana“-Gericht.
Im ziemlich vollbesetzten Lokal angekommen und von einem Kellner gesichtet, entschuldige ich mich erst, dass ich keine Reservierung habe. Freundlicherweise führt er mich – natürlich war ich maskiert, um kein Problem zu bekommen - an einen freien Platz. Mein Essenswunsch wird leider nicht erfüllt, stattdessen wähle ich Vitello tonnato. Ich esse und trinke mit Freude. Erst am Ende wird mir klar, wie frei und selbstverständlich ich mich die ganze Zeit über fühle – fast wie in präcoronarischen Zeiten!
Mit der Freude steigt aber auch aus der Tiefe meines Inneren eine so große Traurigkeit auf, dass mir die Tränen über die Wangen laufen. Der Kellner kommt zum Kassieren, ich erzähle ihm von meiner Freude und bedanke mich für seinen freundlichen Empfang schon am Eingang, seinen entspannten Umgang mit mir und vor allem dafür, dass er mich weder nach meinem Impfstatus gefragt hat noch ob ich getestet sei. Und dass ich mich deshalb wieder einmal auch außerhalb meiner eigenen vier Wände wie ein normaler Mensch fühle, der selber spüren kann, ob er gesund ist oder kränkelt. Er meint darauf: „Ach, danke, ja, wir sind hier ganz easy.“
Dass ich auch traurig geworden bin, erzähle ich ihm nicht.

Wie schön, dass es das noch gibt inmitten der unsagbaren Verdrehung und Umwertung aller Werte! Ein Lichtblick in diesen finsteren Zeiten, in denen man sich sein gefühltes Gesundsein wissenschaftsbasiert von außen testieren lassen und erleben muss, wie das eigene Gespür dafür abgewertet, ja komplett devaluiert wird.