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Dr. Josef Wimmer · November 5, 2021

Sind die zivilisatorischen Errungenschaften sinnstiftend, d.h. weisen sie über sich selbst hinaus? Wohl kaum, dienen sie doch in erster Linie dazu, das Leben erträglich und darüber hinaus so bequem und vergnüglich wie möglich zu machen.

Damit könnten die meisten Menschen dann ja auch zufrieden sein. Sie sind es aber nicht, denn in ihrer unstillbaren Gier verlangen sie immer noch nach mehr, Neuem, Besserem…

Wer der Gier verfällt, spürt sich selber nicht mehr; sein Sättigungsgefühl ist stumpf geworden. Gier ist eine Geisteshaltung, um nicht zu sagen: eine Geisteskrankheit! Die Heilung dieser Geisteskrankheit erfordert eine intensive Bewusstseinsarbeit, einen Prozess des Gewahrens, in dessen Verlauf Genügsamkeit Platz greift.
In der Geisteshaltung der Genügsamkeit – früher hätte sie vielleicht „Tugend“ geheißen – will der Mensch mit seinen propriozeptiven Sinnen spüren, wann „es“ genug ist - und kann und tut es auch. Diese auf den eigenen Organismus gerichtete Sinneswahrnehmung lässt sich einüben und verfeinern.
Kraft seines Gespürs kann der Mensch auch die zivilisatorischen Errungenschaften nutzen ohne ihnen zu verfallen. Der innere Kompass wird ihm/ihr immer zeigen, wann es reicht, wann ein gefühltes Bedürfnis befriedigt und innerer Friede, inneres Gleichgewicht, inneres Wohlgefühl erreicht ist.

Es kommt also wesentlich darauf an, dass wir unser organismisches Selbstgefühl schulen und immer feiner auf das achten, was uns der Körper – „unser Bauchgefühl“ – sagt. Und uns natürlich auch danach richten im Tun und Lassen!
Die Genügsamkeit beschenkt uns mit einem immer stabileren inneren Gleichgewicht, einem In-Sich-Selbst-Ruhen. In dieser ausgeglichen ruhigen Gelassenheit öffnet sich ein Raum sprachlosen Staunens. Freudig und dankbar entdecken wir Wunder über Wunder. Und tiefen Sinn, der sich nicht in Worte fassen lässt!