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Dr. Josef Wimmer · November 12, 2021

Am 15. Mai 1910 hielt der Philosophieprofessor und Domherr an der Londoner St. Paul’s Cathedral, Henry Scott Holland, eine Predigt, die unter dem Titel „The King of Terrors“ überliefert ist (https://en.wikisource.org/wiki/The_King_of_Terrors). Kurz zuvor, am 6. Mai, war King Edward VII., ältester Sohn von Queen Victoria, im Alter von 69 Jahren verstorben. Ich gebe sie hier auszugsweise und in einer vorläufigen Übersetzung durch mich wieder:

„ ‚Geliebte, jetzt sind wir Gottes Söhne, und es tritt noch nicht in Erscheinung, was wir sein werden: aber wir wissen, dass wir IHM gleich sein werden, wenn Er offenbar wird; denn wir werden IHN schauen, wie ER ist. Und jeder Mensch, der sich dies von IHM erhofft, reinigt und heiligt sich, so wie ER rein und heilig ist‘ (1 Joh 3,2-3).

Ich nehme an, wir alle schwanken zwischen zwei Weisen hin und her, den Tod zu betrachten; sie scheinen einander unauflösbar zu widersprechen. Zum einen schrecken wir selbstverständlich und instinktiv vor dem Tod zurück, verkörpert er doch das äußerste und unwiderrufliche Desaster. Er ist das Unmögliche, das Unglaubliche. Nichts führt uns dorthin, nichts bereitet uns darauf vor. Der Tod überschreitet einfach jede Spur, auf der sich das Leben bewegt; er durchkreuzt jede Hoffnung, von der sich unser Leben nährt, und jedes Vorhaben, ihm Bedeutung und Sinn zu verleihen. Er macht alles, was wir hier tun, sinnlos und leer. ‚Alles ist eitel, ganz eitel‘, sagt der Prediger Salomo im Buch Kohelet. Alles bewegt sich auf ein Ziel zu, ob gut oder schlecht, gerecht oder ungerecht, glücklich oder unglücklich, reich oder arm – alles endet in der einen Grube des Ruins. Alle werden durch das blinde und unerbittliche Schicksal vom Leben abgeschnitten. So gesehen ist der Tod, den wir sterben müssen, absolut unerklärlich, schlechthin gnadenlos, ein abgründige Strudel, in den wir hoffnungslos hineingeraten. Er ist der grausame Hinterhalt, die Falle, in die wir geraten, das zerstörerische Fass ohne Boden. Er macht uns zuschanden, richtet uns zugrunde, zerschmettert uns. Gibt es irgendein unpassenderes und irrationaleres Ende als den Tod? Seine Methoden sind so grauenhaft regellos, so abgefahren phantasievoll, so derart launenhaft! Wir können nie vorhersagen, wann oder wie er zuschlägt. Ja, er kann zu den Alten kommen als passendes Ende eines ehrenhaften Lebens! Aber wie oft schlägt er unterschiedslos zu, als gebe es für ihn kein Gesetz, keine Richtschnur. In seiner Unbekümmertheit und unmenschlichen Verachtung uns gegenüber schlägt er seine grauenhafte Bresche in unsere Freude. Er nimmt keinerlei Rücksicht auf uns. Wie oft stolpert er in unser Leben herein, als sei er bloß ein unglücklicher Zufall, Pech eben. Seine Schatten fallen auf unser natürliches Leuchten und Strahlen – und schon sind wir dahin, weggefegt in einen undurchdringlich schwarzen Abgrund. Im Grab ist weder Licht noch Hoffnung. Aus dem Grab lässt sich nichts Vernünftiges herauswringen. Leben ist das einzig Wirkliche, die einzige Wahrheit. Der Tod ist lauter Blindheit, schiere Negation. Das Nein schlechthin.
‚Der Tod kann dich nicht preisen, o Gott; das Grab kann dich nicht loben. Nur die Lebenden, die Lebenden allein können dir danken, so wie ich am heutigen Tag‘, so der Prophet Jesaja Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung (Jes 38, 18-19).
Diese uralten Schriftworte schreien es heraus – und wir Heutigen tun es auch in unserem wütenden Protest, unserer bitteren Qual, da das zeitlose Ärgernis des Todes seine tyrannische Herrschaft über uns einmal mehr sich behauptet. An ihm prallen wir natürlicherweise wieder und wieder ab. Das prophetische Wort, das Gotteswort erkennt diese Tatsache, erkennt sie an und verleiht ihr starken Ausdruck.

Es gibt aber auch noch einen gänzlich anderen Aspekt, unter dem wir den Tod betrachten können: diese Sichtweise stellt sich vielleicht ein, wenn wir auf das ruhige Antlitz eines leichenblassen und erkalteten Menschen schauen, der uns sehr nahe stand und lieb war. Dieses Gesicht liegt vor uns im Vollbesitz seines eigenen Geheimnisses. Es weiß alles. Wir scheinen es zu empfinden. Diese Gesicht in seinem wundersamen Gestilltsein sagt uns als letzte Botschaft des geliebten Menschen: „Der Tod ist nichts, gar nichts. Er zählt nicht. Ich bin einfach nur nach nebenan gegangen. Nichts ist passiert. Alles bleibt genau so, wie es war. Ich bin ich, und ihr seid ihr, und das alte Leben, das wir so liebevoll miteinander verbracht haben, bleibt unberührt, geht unverändert weiter. Was auch immer wir füreinander waren, sind wir nach wie vor. Ruft und nennt mich so, wie ihr mich immer genannt habt. Redet über mich so ungezwungen wie sonst auch. Redet nicht in einem anderen Tonfall über mich. Setzt keine feierliche oder sorgenvolle Miene auf. Lacht, wie wir immer über die kleinen Scherze gelacht haben, die uns Spaß machten. Spielt, lächelt, denkt an mich, betet für mich. Lasst meinen Namen so alltäglich sein wie eh und je. Sagt ihn ohne besondere Betonung, ohne einen Schattengeist, der über ihm wabert. Das Leben bedeutet nach wie vor all das, was es immer bedeutet hat. Es ist dasselbe wie eh und je und geht ohne Unterbrechung immer weiter, in absoluter Kontinuität. Verglichen mit dem Leben ist der Tod vernachlässigbar, ein Zwischenfall. Warum sollte ich „aus dem Sinn sein“, bloß weil ich „aus den Augen“ bin? Ich warte doch nur eine Zeitlang auf euch, irgendwo in nächster Nähe, nur um die Ecke. Alles ist gut. Niemand verletzt, niemand verloren. Ein kurzer Moment, und alles wird sein wie zuvor. Wie werden wir lachen, wenn wir uns wiedersehen und zurückschauen auf die ganzen Probleme meines Abgangs und die Sorgen, die wir uns machten!“

Das sagt uns das Gesicht. Und während wir reden, huscht gewiss ein Lächeln darüber hin – ein Lächeln, wie wenn der Streich, den der scheinbare Tod uns gespielt hat, uns ein wenig belustigt hätte. Da ist kein Tod; niemand ist tot. Es wäre aberwitzig, so etwas zu vermuten. Was hat der Tod mit uns zu schaffen? Wie können wir sterben? Alles, woran uns etwas lag und was wir liebten, ist da. Der physische Tod hat für das alles keine Bedeutung, hat keine Beziehung dazu. Die Vernunft weigert sich, beides zusammenzubringen. Es gibt keinen gängigen Begriff dafür. Nichts von dem, was wir in dieser toten Materie sehen, die wir vor Augen haben – nichts repräsentiert oder beinhaltet oder steht in Verbindung mit dem, was lebendig war oder ist. Was wir geliebt haben, ist nicht hier. Das ist alles. Es ist „ausgestiegen“. Es ist weggeglitten. Dessen sind wir ebenso sicher wie unserer eigene Identität. Wir können uns gar nichts anderes vorstellen. Vernunft und Phantasie gleichermaßen dementieren es.

So betrachtet scheint der Tod eine Winzigkeit, ein sehr kleines Etwas.

Was nämlich wirklich zählt, ist das Leben in seiner sittlichen Qualität, mit seinen persönlichen Merkmalen, seiner bezaubernden Lebendigkeit und Kraft, seinen individuellen Erfahrungen, seiner persönlichen Geschichte; was wirklich zählt, ist der Klang der Stimme, die Kraft der Präsenz, die heute genauso spürbar ist wie damals durch Blick und Hand; ist die Zartheit, die Schönheit, die Willensstärke – und genauso sind es die Fehler, die Irrungen und Wirrungen, die inneren und äußeren Kämpfe und Auseinandersetzungen, die Siege; was zählt, ist die Reife dieses Lebens und die Schwingung seiner liebevollen Zuneigung.
Diese Eigenschaften sind unser unvergängliches Eigentum. Was hat der Tod damit zu schaffen?

Die vielfältige Klang deiner Stimme,
deine Nachtigallengesänge
sind immer noch da.
Der Tod nimmt alles mit sich.
Sie aber kann er uns nicht nehmen…

Es gibt keinen unüberbrückbaren Abgrund, keine starre Trennung. Wir können unsere Herzen über die Grenze des Schweigens hinüber schicken ins geheimsnisvolle Land. Wir bleiben im Gespräch mit denen, die von uns gegangen sind. Sie wissen es, und wir wissen es auch. Im Geiste bleiben wir untrennbar verbunden. Wir können uns damit zufrieden geben, dass wir diese armen sterblichen Überreste außer Sichtweite bestatten. In einer Grube vergraben. Die Asche hat nichts an sich, das wirklich zählen würde. Wir können ihretwegen beruhigt sein und brauchen uns nicht aufzuregen. Totale Verzweiflung muss nicht sein. Alles, worauf es ankommt, wird weitergehen, als hätte es diesen Tod nie gegeben.

Ist uns das nicht schon gelegentlich durch Kopf und Herz gegangen, als wir am Totenbett standen? Ja, es ist wahr: wir werden es nicht immer parat haben können. Leider! Wir werden es wieder vergessen. Diese unendlich scheinende, schreckliche Stille, die sich einstellt, wenn uns bewusst wird, was wir verloren haben, was uns durch den Rückzug der unmittelbaren Präsenz aus der täglichen Begegnung entschwunden ist – dieses Schweigen wird sich in unsere Seelen eingravieren. Wir werden es als unmöglich erkennen müssen, dass wir ohne tatsächlich ausgetauschte Worte und ohne Zeichen, die uns dieser Präsenz versichern – dass wir ohne sie „auf der Höhe“ bleiben können. Der Schleier der Leere wird da hängen und ungelüftet, unbewegt bleiben. Es wird nicht einmal einen flüchtigen Blick auf die Welt dahinter und darüber hinaus geben. Wie schwarz, wie unerbittlich ist doch dieses völlige Fehlen einer berührbaren Augenscheinlichkeit für das, woran wir so sicher glauben! Der uralte Schrecken wird wieder auf uns herabfallen. Was passiert bloß da drüben? Was ist es bloß mit den Toten? Wo sind sie? Welches Bild können wir dafür finden? Wie es uns vorstellen, wie darüber sprechen? Wir stehen einer einzigen blinden, trostlosen, unaussprechlichen Finsternis gegenüber. Wir tasten vergeblich umher. Wir strengen unsere Augen umsonst an. „Oh ja, der Tod ist einfach nur zum Fürchten!“, sagen wir und klammern uns wie eh und je schaudernd vor Angst an das, was wir kennen, an das Vertraute, während wir die Grenze verabscheuen, die wir noch nicht übertreten haben.

Dennoch und trotz allem war unser Hochgefühl real, auch als ein vorübergehendes. Wir haben es wirklich erlebt, und es hat uns mit echter Einsicht beschenkt! Als wir in spiritueller Erregung am Totenbett standen und mit jeder Faser hochangespannt wahrnahmen, was ist, waren wir besser in der Lage, Einsicht in das wirklich Innerste der Dinge zu gewinnen. Jetzt aber, da uns die Tage unter sich dahinschleppen, sind wir wie untergetaucht, wie kopfscheu, wie lebensmüde, wie von allen guten Geistern verlassen und mutlos. Von daher ist es ein vernünftiger Akt des Glaubens, zu unserer spirituellen Erfahrung zu stehen und ihren Wert auch dann zu bekräftigen, wenn ihr Licht aus unserem Leben geschwunden ist und wir wieder im Dunkel des Todesschattens stehen. Obgleich wir ins Zwielicht der Täler zurückgekehrt sind, werden wir uns doch stets an den Augenblick erinnern, in dem wir auf den sonnenbestrahlten Höhen standen und die fernen Horizonte vor Augen hatten. Da gaben wir Leben und Tod den wahren Wert. Dieser Akt der Einsicht kann nicht widerlegt oder in Misskredit gebracht werden; auch wenn es ein dem widersprechendes Urteil geben sollte, das nicht abgestritten wird und das weiterhin Druck macht durch Schlussfolgerungen und Penetranz.

Unsere Aufgabe ist, keines der Urteile zu leugnen, sondern beide zusammenzufügen. Die einander entgegenstehenden Erfahrungen sind gleichermaßen wirklich, gleich wertvoll. Wie können sie miteinander versöhnt werden? Das ist die Frage. Nur indem sie miteinander versöhnt werden, kann die Kraft unserer menschlichen Erfahrungen in ihrer Fülle bewahrt bleiben. Wie soll das zustande gebracht werden? Doch wohl nur durch die Idee des Wachstums, oder? Unsere Situation ist doch prozessual; wir entwickeln uns und wachsen, und unser irdisches Leben ist dafür die Vorbedingung. Und dies bedeutet doch wohl, dass wir in einer Hinsicht alles wissen, was vor uns liegt, in einer anderen, dass wir davon überhaupt nichts wissen.

‚Brüder, jetzt sind wir Gottes Söhne, und es tritt noch nicht in Erscheinung, was wir sein werden‘. Denken wir darüber einmal mehr nach. Wir sind jetzt die Söhne Gottes. Das können wir mit Gewissheit sagen. Es ist eine unmittelbare und absolute Erfahrung. Und das bedeutet, dass wir schon jetzt sind, was wir nach dem Tod sein werden. Voltaire, der krumme Geist, sagte: ‚Es gibt keine andere Welt‘. Die ‚andere Welt‘ ist nämlich zu uns gekommen. Sie ist schon ‚herüben‘ bei uns, auf unserer Seite. Ihre Mächte und Gewalten sind die unseren. Ihre Ressourcen sind in unserer Hand. Wir sind in sie hineingeboren, aus ihrem Geist geboren, in ihre Freiheit hinein. Ihr Geheimnis ist keimhaft in uns angelegt. ‚Unser Leben ist mit Christus verborgen in Gott‘. Die Kanäle sind offen, die Botschaften kommen durch.

Es ist also keine gänzlich neue Welt, in die wir eintreten werden, wenn wir entschlafen, sondern unsere eigene vertraute Welt, in der wir unsere Begegnungen und Gemeinschaften schon gehabt haben werden. Aus diesem Blickwinkel betrachtet ist also der Tod nur ein Zwischenfall. Es gibt keinen Bruch in unserem lebendigen Fortbestehen. Was wir dort sein werden, wird das unvermeidbare Fortbestehen und die Entwicklung dessen sein, was wir hier und jetzt schon sind. Wir werden schlicht und einfach weiterhin sein, was wir jetzt schon sind – nur eben unverhüllt, ohne Einschränkung. Wir werden dieselben Kräfte beanspruchen, dieselben Lebensweisen pflegen, von denselben Motiven angetrieben sein, dieselben Absichten erkennen lassen. Wir sind was wir sein werden. Deshalb wissen wir im Angesicht der Toten, dass für sie nichts anders ist. Wir sollen dieselbe Sprache wie früher sprechen, an sie in derselben Art wie früher denken und ihnen wie gewohnt in unseren vertrauten und üblichen Weisen des Umgangs folgen. Jawohl, denn sie sind was sie waren. Der Tod zählt nicht.

Und dennoch, dennoch, ‚es tritt noch nicht in Erscheinung, was wir sein werden‘. Es erscheint noch nicht! Ah, wie fürchterlich wahr ist das doch! Selbst wenn es noch so wahr ist, dass dieser Nach-Tod-Zustand ein „Auswuchs“ dessen ist, was wir jetzt sind – wir können uns noch kein Bild davon machen, wie er tatsächlich ausschaut. Wir können das nach dem Tod vor uns Liegende nicht sehen. Wir haben keine Ahnung, wie wir es deuten könnten. Wie können wir es uns vorstellen? Wie können wir dem einen konkreten und zutreffenden Ausdruck verleihen? Wir starren und starren und starren dorthin, und der Abgrund ist blind und finster. Der Tod schließt die Tür schnell. Jenseits der Finsternis verbirgt sich sein undurchdringliches Geheimnis. Kein Laut kommt zurück! Kein Schrei erreicht uns! Stumm alles! Stumm wie die Nacht, diese entsetzliche Stille!
Es erscheint noch nicht. Wir mögen noch so sehr hinstarren – da wird nichts draus! Schon allein die Tatsache, dass „es“ zwingend das Ergebnis dessen sein wird, was wir sind, ist so tröstlich wie erschreckend. Oh weh! Was wird am Ende herauskommen? Was wird sich in Summe zeigen als Resultat unseres Erdenlebens? Wer kann das sagen? Und eben deshalb macht es uns Angst, wenn wir daran denken, dass wir mutterseelenallein in die Nacht des Todes hinausgehen, unsere unwiderrufliche Vergangenheit mit uns tragend – um verwandelt zu werden, ohne dass wir wüssten, wie; um in allem Wandel beunruhigenderweise mit uns selbst identisch zu bleiben; um für immer und ewig unter unvorstellbaren Bedingungen wir selber zu bleiben, ohne dass wir es je im Voraus wissen oder vorwegnehmen könnten. Schauderhaft, die Finsternis, die Stille, all das Unbekannte, Fremde, Abenteuerliche! Wir wissen nicht, was sich ereignen, was sein wird. Wir wissen nur, dass alles, was jetzt schon unser ist, was wir erlebt haben, woran wir hängen und gebunden sind – dass all das verschwunden sein wird. Die Wärme unseres jetzigen Miteinander, die Behaglichkeit vertrauter Gewohnheiten, die liebevolle Intimität tiefer und bedeutsamer Verbindungen und Zugehörigkeit, die freundliche Gegenwart dieser liebgewonnenen Erde, die Freude, die Liebe, die Hände, die berühren, die Stimmen, die bezaubern, die Herzen, die schlagen. Ach! Weh, ach Weh! Alles müssen wir lassen! Wir gehen fort, ledig all dessen, was uns uns selber hat verstehen lassen; und es tritt noch nicht in Erscheinung, was wir sein werden. Der Tod muss also letztlich seinen Schrecken beibehalten, auch wenn er nur ein Durchgangsstadium unseres Wachstums ist – den Schrecken des Unbekannten, den Schrecken des Verlustes, den Schrecken der Endgültigkeit dessen, was bisher die Bewegungen unseres Lebens waren…

Und doch, meine Lieben, wenn wir uns die Vorstellung des Wachsens ins Gedächtnis rufen, können wir es uns leisten, nicht zu wissen, was vor uns liegt; wir können es uns leisten, einzig im Hier und Jetzt zu leben. Wir können es uns leisten, dass alle irdische Belehnung von uns genommen wird; und wir können hinausgehen in das nackte Schweigen des Jenseits, denn als Söhne und Töchter Gottes sind uns die Kräfte sicher, die uns auf den unbegangenen Wegen dort helfen. Wir sind bereits mit allem ausgestattet, was wir je brauchen. Wir werden die Kraftquellen haben, die unter den fremdartigen Bedingungen dieser unsichtbaren Welt zu ihrem Recht kommen werden. Wenn wir uns selber treu bleiben, können wir nie fehlgehen. Sie können uns nie zu schaffen machen, wenn wir uns an das halten, was Gott uns bereits geschenkt hat. Auf die Art und Weise, wie wir unser irdisches Leben führen, können wir auch unser Leben jenseits des Todes führen. Die Stärke, die uns hier im Boden verankert, wird sich dort immer noch als Stärke erweisen. Wir werden dieselben Kräfte nutzen, uns auf dieselben Gewissheiten verlassen, uns vom denselben Nährstoffen ernähren, wir werden auf dieselbe Weise wachsen, denselben Gesetzen gehorchen, wir werden dieselben Gebete beten, von denselben Hoffnungen beflügelt sein, dieselbe Sprache sprechen. Alles, was jetzt unser ist, wird auch dann unser sein. Denn wir sind schon jetzt Söhne und Töchter Gottes; wir sind schon jetzt in Jesus; wir sind schon jetzt Leib Christi; wir leben schon jetzt durch Ihn, wir verkosten jetzt schon Seinen Frieden; Seine Vergebung haben wir schon jetzt. Der Jesus, den wir hier und jetzt sehen und kennen, ist der Jesus, den wir dort und dann sehen und kennen werden; da wir Ihn dann aus unmittelbarer Nähe sehen werden, werden wir Ihm ähnlicher sein; da wir Ihn besser kennen werden, werden wir Seinem Bild noch ähnlicher werden.

Müssen wir wirklich noch mehr wissen? Warum sollten wir uns vor dem großen Wagnis fürchten? Wir haben Jesus schon jetzt, und jetzt schon können wir uns bereit machen, Ihm immer näher zu kommen. Wir können anfangen, uns zu läutern so wie Er lauter, rein und heilig ist; wir können uns Ihm immer mehr anvertrauen in der sicheren Hoffnung, dass wir Ihn zuletzt sehen werden, wie Er ist.“