„Bitte warten!“ – eine der nervendsten automatischen Telefonansagen überhaupt!
Gemäß dem radikal-hedonistischen Motto „Wir wollen alles und zwar sofort!“ haben wir uns angewöhnt, ungeduldig zu sein.
Dabei liegt im Wartenkönnen eine große Kraft: die Freiheit von der unmittelbaren Koppelung von Reiz und Reaktion, die Freiheit, Befriedigung von Bedürfnissen aufschieben zu können.
Auch das Warten ist erlernbar. Es befreit vom inneren Zwang, zu reagieren. Und diese Freiheit ist eine Gabe, die mindestens genauso wertvoll ist wie das Gefühl der Befriedigung, nachdem ein Bedürfnis unmittelbar nach seinem Auftauchen gestillt wurde.
Ein erwachsener Mensch kann beides: unmittelbare Bedürfnisbefriedigung UND Warten auf den richtigen Zeitpunkt der Erfüllung seiner/ihrer Wünsche.
Damit ein Säugling sich in seiner Familie beheimaten kann, braucht er die möglichst zeitnahe Stillung seiner Bedürfnisse. Die Entwöhnung vom Gestilltwerden kann nur individuell angepasst erfolgen. Eine terminliche Normierung ist auf jeden Fall kontraproduktiv und schafft Lücken in der Identität, die später schwer zu schließen sind.
Mit der Zeit kann auch ein Kind das Warten auf die Befriedigung seiner Bedürfnisse und Wünsche lernen. Zum Beispiel das frühere adventliche Warten auf das „Christkind“ und die „Bescherung“! Und es kann die Zeit des Wartens mit etwas anderem Sinnvollem verbringen lernen.
Später im Leben kann Warten einfach nur SitZEN und sich im Betrachten Üben bedeuten. „Abwarten und Tee trinken“ – im Englischen „wait and see“ - lautet ein verbreiteter Ausspruch.
Während wir auf die Erfüllung unserer Bedürfnisse, Wünsche oder sogar Sehnsüchte warten, wandelt sich so manches. Vielleicht stellen wir irgendwann fest, dass sie sich erübrigt und ihr motivischer Ursprung sich aufgelöst hat. Vielleicht erscheint uns etwas anderes erstrebenswerter. Was schwer erreichbar oder zu lösen schien, kann irgendwann leicht von der Hand gehen – wenn wir es denn erwarten können…
Als Jugendlicher habe ich mit Begeisterung Gottfried Benn gelesen. Mein geliebter Internatsdirektor und Ersatzvater hat es mir vorgelebt. In dem Benn-Band „Ausgewählte Briefe“ des Limes-Verlages Wiesbaden (1957) fand damals ich im folgenden Kontext einen Ausspruch des Lao-Tse, der mir seither ein Wegbegleiter ist: „Das dumme Geschwätz, mit dem der moderne Staat sich zu rechtfertigen sucht, nachdem alle an allem teilnehmen müßten, damit ‚es gelingt‘ (was eigentlich?) sic! Heute vielleicht die 100%ige Durchimpfung der gesamten Bevölkerung?…, das ist doch reiner Zinnober. Sie schlagen doch jedem auf die Klappe und machen ihn arbeitslos, wenn er anders als die Majorität denkt – spricht. – ‚Das Abwartende pflegen und das Auswirkenlassen des Seins‘, dies mein so geliebtes Wort von Lao-tse nehmen Sie in sich auf. Oder wie der ‚Ptolemäer‘ sagt: ‚sich abfinden und gelegentlich auf Wasser sehen‘. Vielleicht sind Sie noch zu jung und stürmisch dazu, aber versuchen Sie es als praktische Maxime“.
Ich übe mich darin.