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Dr. Josef Wimmer · March 15, 2022

„…et procedens homo sine semine“ – das Geheimnis der Menschwerdung G’ttes beschäftigt christliche Theologen seit dem Beginn unserer Christentumsgeschichte.

Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, lautet: Reicht die biologische Vereinigung von Ei- und Samenzelle und der dadurch in Gang gesetzte Entwicklungsprozess aus, um einen Menschen hervorzubringen? Oder wird vielmehr der Mensch erst geistgewirkt, d.h. g‘ttgewirkt zum Menschen im Vollsinn des Wortes? Ist der Mensch erst dann Mensch, wenn er oder sie seine/ihre Wesensgleichheit mit יהוה realisiert – „eines Wesens mit dem Vater“? Wenn er oder sie realisiert: ICH BIN ?

Denn wenn יהוה – ICH BIN - der einzige und wahre und unaussprechliche und urjüdische Name G’ttes als Selbstaussage seines Wesens ist, dann geht dieser Name und damit das Wesen G’ttes im inneren Nachvollzug des Menschen auf diesen über.

Die Koessentialität (Wesenseinheit) Jesu mit dem Vater ist christliches Dogma ebenso wie die Tatsache, dass sie durch ihn auf alle übergeht, die sich an ihn halten und ihm nachfolgen: „largitus est nobis suam deitatem“, wie es in der weihnachtlichen Marianischen Antiphon „O admirabile commercium“ weiter heißt!

Das „Homo Deus“ des Yuval Harari ist in dieser Hinsicht ein zwar zeitgeistiger, aber im Grunde genommen alter Hut – nur sieht er die Deifikation des homo sapiens eher auf der postreligiös-technologischen und AI-Ebene. Auf der mystischen Ebene, von der hier die Rede ist, geht es mehr um das rechte Menschsein und d.h. um die Liebe zu allem, was ist, um Liebende Präsenz!