216

Dr. Josef Wimmer · June 8, 2022

Wozu müssen wir reifen?

Zur Erfüllung unserer tiefsten Sehnsucht.

Was ist unsere tiefste Sehnsucht?

Das vollkommene EINSSEIN, auf Katholisch:…mit G’tt.

Den Weg dorthin nennen wir Einswerdung oder auf Katholisch „Heiligung“.

Auf diesem Weg durchläuft der Mensch meistens viele Phasen und nimmt viele Stufen – angefangen von der organismischen bis hin zur spirituellen oder auf Katholisch: geistlichen. Dort angelangt fängt die Einswerdung erst so richtig an. Denn von nun an zählen nur noch die g’ttlichen Werte. Nach dem Apostel Paulus sind dies: VERTRAUEN oder auf Katholisch: GLAUBE; dann HOFFNUNG; und AGAPE oder auf Katholisch: die SELBSTLOSE LIEBE. Wer bei dieser Stufe angelangt ist – bei der g’öttlichen Liebe – vergisst alles, was hinter ihm/ihr liegt und kennt nur noch eines: LIEBEN…

Und von nun an geht alles wie von selbst, auf Katholisch: g’ttgeführt.

Wer auf dem Weg der Einswerdung stockt und stehenbleibt, muss notwendigerweise leiden, weil die tiefste Sehnsucht ihm/ihr keine Ruhe lässt. Der Mensch wird buchstäblich suchtkrank.
Die Tuberkulose ist beispielsweise eine Immun-Krankheit, bei der der menschliche Organismus den Bazillen keine lebenserhaltende Abwehr mehr entgegensetzt; im Lauf der Zeit höhlen sie ihn aus. Der Mensch schwindet buchstäblich dahin: die Schwindsucht rafft ihn/sie dahin. Ihre Opfer findet sie übrigens und heute wieder etwas vermehrt im Prekariat, in dem die Menschen, dauerhaft und ohne Aussicht auf Veränderung, vom Lebenswichtigen zu wenig haben.

Beim Alkoholismus, der auf den Konsum alkoholhaltiger Getränke ausgerichteten Trunksucht, fehlt dem Menschen das rauschhafte sinnlich-geistige Genießenkönnen des Lebens, die leidenschaftliche Begeisterung. Er/sie ist zu sehr gehemmt und gebremst und eingeengt. Der Mangel kommt von der ungestillten Oralität des Menschen. Stehengeblieben auf der oralen Entwicklungsstufe muss er/sie zur Flasche greifen… Nur im Rausch, in der alkoholbedingten Enthemmung, erlebt sich dann der Mensch leidenschaftlich bei sich, ist begeistert vom „Spirit“ des Getränks und will verständlicherweise immer wieder und mehr davon in sich aufnehmen, weil er/sie den „Geist“ mit der Materie identifiziert bzw. verwechselt. Da jedoch die Alkoholwirkung sich verändert und der Organismus Gewöhnungsreaktionen anzeigt, muss das Suchtmittel immer wieder beschafft und konsumiert werden…Die Krankheit nimmt ihren Lauf, der oft genug tragisch endet - weit entfernt vom Ziel der tiefsten Sehnsucht, vom Gestilltsein in יהוה

Der Alkoholismus ist nicht nur eine schwere Suchterkrankung, er ist nach der Nikotinsucht die am weitesten verbreitete – weil gesellschaftlich tolerierte und sogar indirekt über die Werbung für Alkoholika geförderte!

Dabei ist nicht der Alkohol an sich problematisch; er hat viele positive Eigenschaften.
Der Umgang mit ihm ist das Problem.
Wer auf der oralen Ebene nicht maßhalten kann, läuft Gefahr und sollte rechtzeitig gegensteuern. Dazu ist als Erstes und Wichtigstes das Bewusstsein der eigenen Maß- und Ziellosigkeit geboten – unter Umständen sogar durch Hilfe von außen, von PartnerINNEn, Verwandten und Bekannten, auf Katholisch: auch von SeelsorgerINNEn! Leider sind diese Personen jedoch meistens „co-abhängig“, d.h. sie nehmen die Maßlosigkeit des Trinkens nicht wahr oder getrauen sich nicht, den/die Gefährdete/n strengstens zu ermahnen.
Obwohl selbst nicht alkoholabhängig, sind sie doch emotional abhängig vom Trinker/von der Trinkerin.

Daran wird deutlich, dass der Alkoholismus ein systemisches Problem ist, d.h. eine Sucht, die mehr oder weniger alle Beteiligten betrifft. Und da muss die Frage gestellt werden, wie wir als Gesellschaft oder auch wir als Kirche die oralen Bedürfnisse der Kinder und Säuglinge noch besser befriedigen helfen können. Darüber hinaus ergibt sich von selbst das Thema: Wie gehen wir als Gesellschaft, d.h. vor allem wir Erwachsenen, überhaupt mit den Bedürfnissen unserer Säuglinge, Kleinkinder, Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen um? Achten und respektieren wir sie? Oder schätzen wir sie gering? Missbrauchen wir sie für unsere Zwecke (z.B. Profite zu machen!)? Meinen wir immer noch, wir könnten mit Geld oder Dingen die Bedürfnisse nach Zuwendung, Nähe, Kontakt befriedigen? Solange wir so denken, werden wir immer neue Formen des Suchtverhaltens und der Suchtmittel erzeugen…

Was wir brauchen, ist intensives Wahrnehmungs- und liebevolles Achtsamkeitstraining auf allen Ebenen des Menschseins. Nur in der Übung der Liebenden Präsenz kommen wir unserem Ziel näher. Was dann noch zu tun bleibt, können wir getrost יהוה überlassen!