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Dr. Josef Wimmer · July 7, 2022

Überregionale bayrische Tageszeitungen veröffentlichten am 6.Juli ein denkwürdiges Foto aus dem Germanischen Nationalmuseum. Es zeigt ein von Albrecht Dürer entworfenes prachtvolles Altarretabel. Das wohl in der Kapelle des Nürnberger Zwölfbrüderhauses ursprünglich vorhandene Altarbild fehlt jedoch.
Möglicherweise hat der Fotograf die in dem Rahmen zu sehenden Personen aufgefordert, sich so hinter dem Retabel zu platzieren, dass sie wie Heiligenfiguren wirken, die es umrahmt – eine Art lebende Skulpturengruppe (an der blaugrauen Wand etwa zwei Meter hinter dem Dürer’schen Altaraufsatz sind zwei Tafelbilder zu sehen, die möglicherweise auch von unserem größten deutschen Renaissancekünstler stammen)!
Von den acht Personen „in“ dem Retabel, die quasi als Installation zusammen mit ihrer Rahmung ein neues Kunstwerk bilden, sind nur vier in nahezu voller Größe sichtbar; die übrigen vier verschwinden weitgehend hinter den buchstäblich prominenten.
Diese sind: fast mittig, groß und breitschultrig Markus Söder, bayrischer Ministerpräsident; zu seiner Rechten angeschrägt im Vordergrund und überlegen lächelnd - die rechte Hand liegt auf dem Retabelrahmen - der deutsche Bundespräsident Frank Walter Steinmeier; zu Söder‘s Linken im roten Kleid mit schwarzer Weste, fast schon an die Seite gedrängt, aber den Kopf mit den langen und glatten, hellblonden Haaren frontal dem Betrachter zugewandt und zaghaft lächelnd, die bayrische CSU-Europa-Ministerin Melanie Huml. Zwischen den beiden Herren schaut in der zweiten Reihe so gekonnt wie gequält lächelnd der bayrische Innenminister Joachim Herrmann hervor.
Die Haltung und geradezu priesterliche Mimik des Ministerpräsidenten gibt der Anordnung der Personen noch eine besondere, fast liturgische Note: Er hat die Hände in einer häufig bei Männern zu sehenden Gebetshaltung vor dem Hosenbund übereinander gelegt und richtet im Gegensatz zu allen anderen Figuren den Blick steil nach oben.

Ein sprechendes Bild: Politische Repräsentanten des deutschen und bayrischen Volkes besuchen das Germanische Nationalmuseum und posieren in einem ursprünglich hochsakralen Rahmen – vor den Augen des im Bild abwesenden Diplomatischen Korps und der Öffentlichkeit!

Vielleicht sollte es ja nur ein lustiger Gag sein, ein witziges Arrangement; aber es ist nun einmal so aufgenommen und als Foto in der Welt! Und es sagt doch strukturell etwas aus über unsere Politiker: sie erheben sich selber zur Ehre der Altäre – im neuen postreligiösen, transhumanistisch-szientistischen Zeitalter! Ist das die neue deutsche Arroganz und zynische Überheblichkeit von Machthabern, an denen jegliche Kritik abprallt und jeder Widerstand zunichte wird?

Wie immer gilt: Strukturen prägen Mentalitäten!

Ach, blieben doch die Herren mitsamt ihrer Quotendame für immer im Museum!
We would be very amused to see them there from time to time…