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Dr. Josef Wimmer · July 25, 2022

Das griechische Wort „Kenosis“ (κένωσις) bedeutet Leerwerden oder Sich Entäußern. In der christlichen Exegese wurde damit bezeichnet, was Paulus im Philipperbrief (Phil 2,6-7) über Jesus den Christus aussagt: „Er war Gott gleich, / hielt aber nicht daran fest, G‘tt gleich zu sein, sondern er entäußerte sich / und wurde wie ein Sklave / und den Menschen gleich. / Sein Leben war das eines Menschen“. Jesus wurde in der „Kenosis“ seines ewigen G‘ttgleich-Seins ledig und unsereinem gleich im Leben als Mensch.
Wer versklavt wird, wird seiner Würde, seiner Freiheit, seines Selbstbestimmungsrechts als Mensch beraubt; sein Herr oder seine Herrin kann mit ihm/ihr machen, was er/sie will – sogar ihn umbringen oder töten lassen.

Jesus gab in seiner Selbst-Entäußerung als g’ttgleicher ewiger Sohn seine g’ttliche Würde, Freiheit und Selbstbestimmung auf; darin bestand seine Versklavung. Nicht dass G’tt ihn versklavt hätte – die Menschwerdung, das „Leerwerden“, die Selbstentäußerung liegt im unbegreiflichen Wesen G’ttes selber, zumindest des biblischen!

Und dieses ist zugleich das Wesen der Präsenz, des Seins-bei-dem-was-ist, Gegenwärtigseins=Gewärtigseins. Es ist das, was LIEBE tut, es ist die Seinsweise der Liebe. Lieben IST Präsentsein!

So gesehen ist der Ausdruck „Liebende Präsenz“ ein hermeneutischer Pleonasmus.