Was ist „der Geist der Kindschaft“?
Meistens geben wir körperlich ausgewachsenen Menschen uns sehr erwachsen, reif und mündig. Aber es ist nur ein „Tun-als-ob“. In Wahrheit sind wir weit davon entfernt, die Folgen unseres Denkens, Redens und Tuns realistisch einzuschätzen und agieren einfach nur mehr oder weniger unbewusst bzw. re-agieren. Leider sind schwerwiegende Konsequenzen aus solchem (Re-)Agieren unvermeidbar.
Gelingt es uns, aus schmerzlicher Erfahrung dieses „Tun-als-ob“ bleiben zu lassen, eröffnet sich die Chance, ein Bewusstsein der Interdependenz zu entwickeln und zu lernen, dass wir keineswegs autonom agieren können, sondern eingebunden sind in ein größeres Ganzes, in dem wir in den Grenzen des Möglichen unsere ureigene Rolle spielen. Ein solches Bewusstsein in vollendeter Form hatte der Mann aus Nazareth, Jesus, der Gesalbte Israels. In vollendeter Form ist es nämlich das Wissen: „Ich und der Vater sind eins“ (Joh 10,30).
Im Bewusstsein des EinsSeins tat Jesus selbstverständlich den Willen des Vaters; er war vollkommen auf den Ton des Einen gestimmt. Solches Gestimmtsein auf den Ton des Einen können wir Heutigen „Geist der Kindschaft“ nennen. In diesem Geist geschieht alles „wie von selbst“, weil wir uns nicht mehr selbstbehaupten müssen, sondern uns ganz vertrauensvoll der Führung des g’ttlichen Grundtons überlassen können, auf dem alle Lebensmelodien aufbauen.
Insofern ist der Geist der Kindschaft auch der Geist des Vertrauens, den der 23. Psalm mit den Worten besingt: „Du, יהוה, bist mein Hirt, darum kenne ich keine Not“.