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Dr. Josef Wimmer · September 7, 2022

Bereits in seiner Kritik der reinen Vernunft (1881 bzw. 1787) schreibt Immanuel Kant: „Alles Interesse meiner Vernunft (das spekulative sowohl, als das praktische) vereinigt sich in folgenden drei Fragen: 1. Was kann ich wissen? 2. Was soll ich tun? 3. Was darf ich hoffen?“ Die Frage, was „ich“ tun solle, d.h. die Suche nach der mir als vernunftbegabtem Menschen angemessenen Moral, erklärt er damit zu einer philosophischen Grundfrage.
In allen schriftlichen Überlieferungen, die wir besitzen – gleich welcher Denkrichtung – spielt sie in der Tat eine herausragende Rolle. Die inzwischen mehr und zum Teil weit mehr als 2000 Jahre alten biblischen Texte beispielsweise sind grundlegend geworden für die Gestaltung und Gestalt unserer abendländischen Kultur und Zivilisation. Ihre durchgängige Bezugsgröße ist weniger die menschliche Vernunft als vielmehr der jüdische G’tt: יהוה omnipräsent, omnipotent, allwissend…

In der Bibel finden wir vielfältige Antworten auf die Frage, was ich „tun“ solle. Alles Tun ist auf G’tt bezogen und primär spiritueller, religiöser Natur. Es gibt gar kein von יהוה losgelöstes moralisches Handeln. Ein Beispiel sei der 37. Psalm (nach katholischer Zählung). In Vers 27 heißt es dort: „Meide das Böse und tu das Gute, so bleibst du wohnen für immer“. Das ethisch richtige Tun ist eines, das seine Konsequenzen in sich trägt. Wer das Böse meidet und das Gute tut, darf sich darauf verlassen, dass er/sie bleiben darf, wo er/sie sich niedergelassen hat – und zwar zeitlich unbegrenzt.

Vers 3 und 4 lauten: „Vertrau auf den Herrn und tu das Gute, bleib wohnen im Land und bewahre Treue. Freu dich innig am Herrn! Dann gibt er dir, was dein Herz begehrt“ - so die Einladung an den vertrauensvoll Betenden. Wer überhaupt sich an יהוה hält und יהוה vertraut, soll dieses Grundvertrauen immerzu bestärken, üben und pflegen – in Verbindung mit dem Tun des sittlich Guten, d.h. mit tätiger Nächstenliebe und mit dem, was die Benediktiner „stabilitas loci“ nennen, der Ortsständigkeit. „Treue bewahren“ bedeutet hier, den einmal eingeschlagenen Weg des G’ttvertrauens beizubehalten und nicht von ihm abzuweichen.

Die Aufforderungen von Vers 3 und 4 gipfeln in dem Satz: „Freu dich innig an יהוה!“ Im Glaubensleben geht es vor allem um Freude; Griesgram, Trauer, Resignation und Verbissenheit haben im Umkreis von יהוה nichts verloren. Wir dürfen und sollen uns der Gegenwart, der Liebenden Präsenz erfreuen, freudig und bewusst DA SEIN! Im frohen GegenwärtigSein ist immer auch יהוה gegenwärtig, ja, es IST יהוה!

Wären wir uns dessen doch mehr inne! Das Leben würde so viel leichter werden! Und vor allem: im freudigen Da SEIN in der Liebenden Präsenz von יהוה wird uns zuteil, wonach wir uns sehnen – wir bekommen geschenkt, was unser Herz, unser Innerstes, begehrt, was wir brauchen und was wir uns wünschen!
Die Freude an G’tt, am Liebevollen PräsentSein, ist eine einzige Wundertüte! Im wachen und freudigen DA SEIN haben und bekommen wir ALLES!

ES IST SO EINFACH!