Beitrag zum Mu-gen-Heft dieses Monats der Wiener Sangha meines ZEN-Lehrers Karl Obermayer:
Wie ich als Priester die ZEN-Übung mit meinem christlichen Glauben verbinde
Der Dreh- und Angelpunkt dieser Verbindung ist der jüdische G‘ttesname, wie er in der Thora geschrieben steht (2. Mose 3, 1-18). Er lautet auf Hebräisch: יהוה und wird von gläubigen Juden nicht ausgesprochen. Gemäß unserem Alphabet ist seine Schreibweise JHWH. Wie im Hebräischen üblich besteht der Name יהוה nur aus Konsonanten; die zugehörigen Vokale sind nicht eindeutig bestimmbar. Es haben sich daher mehrere Arten der Aussprache von יהוה verbreitet, so z.B. Jahwe, Iaoue, Jabe, Jauwe, Jawe oder Jehovah.
Der Name G’ttes wird dem aus Ägypten geflohenen Mose beim Schafehüten in der midianitischen Wüste offenbar. Mose erfährt angesichts eines Dornbuschs, der „brennt und doch nicht verbrennt“ (2. Mose 3, 2), seine Berufung zum Propheten. Er bekommt den Auftrag, sein Volk aus der Sklaverei in Ägypten zu befreien und in sein Heimatland zurückzuführen. Dazu braucht er den Namen der ihn berufenden g’ttlichen Macht. Denn nur mit einem G’ttesnamen, der machtvoller ist als die Namen der ägyptischen Götter, wird er diesen Auftrag erfüllen können. Nach einigem Hin und Her wird ihm der Name offenbar: יהוה.
Ins Deutsche übersetzt bedeutet er zugleich: im Präsens „Ich bin, der ich bin“, im Futur „Ich werde sein, der ich sein werde“ oder „Ich werde für euch da sein“; „Ich werde mich für euch hilfreich erweisen“; „Ich bin (für euch) da“.
Einen Übersetzungsschritt weiter lässt sich יהוה übersetzen als: Ich-bin-euch-liebevoll-präsent, überall und jederzeit.
יהוה ICHBINDAFÜREUCH ist omnipräsent, omnipotent, allwissend, allweise, allerbarmend.
Dieser Liebenden Präsenz vertraut sich Mose an, und sie begleitet ihn von Stund an bis zu seinem Tod; sie ist die Kraft, in der er sein Volk aus Ägypten heraus und durch die Wüste bis an die Grenzen des Landes führt, „in dem Milch und Honig fließen“ (2. Mose/Exodus 3,8).
Im weiteren Verlauf der Geschichte Israels mit seinem G’tt sagt יהוה durch den Mund des Dichters im 132. Psalm über den Zionsberg: „Das ist für immer der Ort meiner Ruhe, hier will ich wohnen“. יהוה legt sich also für Israel bei all seiner Omnipräsenz auf einen Ruhe- und Wohnort fest: Jerusalem.
Diese Stadt wird für die drei abrahamitischen Weltreligionen zum bevorzugten Ort der Anbetung des Allerhöchsten.
In Jerusalem ist schließlich der getötet worden, der wie kein zweiter vor und nach ihm liebevoll präsent war in allem, was er redete und tat: Jesus aus Nazareth, der „Gesalbte“ Israels, „das (menschliche!) Ebenbild des unsichtbaren G’ttes“ (Kol 1, 15). Er war יהוה in Menschengestalt, Liebende Präsenz in Person und ist im Tod ganz eins geworden mit יהוה, mit dem Leben des Lebens – höchste Vollendung des Menschseins, Verg’ttlichung!
Darauf vertraue ich als Christ in meiner bescheidenen Nachfolge Jesu. Aus diesem Vertrauen gewinne ich die Zuversicht, dass auch ich mit allen, die glauben, durch Jesus mit dieser höchsten Vollendung begnadet bin und werde: der Einswerdung mit יהוה liebevoll omnipräsent.
Der Weg dorthin ist für mich die Übung der Liebenden Präsenz – mein „Gebet ohne Unterlass“ (1 Thess 5, 17): im Reden und Tun, bei der Arbeit und in Ruhe, im Gehen und Sitzen, in der Begegnung und im Für-mich-Sein, im Wachen und Schlafen, bei der Feier der Hl.Messe und beim Besuch der Kranken…: ganz gegenwärtig sein in der Gegenwart von יהוה ICHBINDA.
In der wachen Aufmerksamkeit im Hier und Jetzt berühren sich für mich die ZEN-Übung und mein Weg der Nachfolge Jesu.
Einst fragte ein Mönch den Zenmeister Jôshû: “Was ist Zen? Bitte, unterweise mich.” Jôshû erwiderte: “Hast Du schon gefrühstückt?” “Ja, Meister”, antwortete der Mönch. “Dann”, sagte Jôshû zu ihm, “spüle Deine Schalen.”