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„Wer schweigt stimmt zu“ titelt Prof. Ulrike Guérot, die hochgescheite und leider vielfach diffamierte Politikwissenschaftlerin und Vordenkerin einer europäischen Republik ihr neuestes Buch, ein flammendes Plädoyer für die Überwindung der durch die Coronapandemie bedingten Krise, in die wir weltweit geraten sind. Und sie lädt nachdrücklich dazu ein, dass wir wieder ins Gespräch miteinander kommen – wir, das sind die über den Umgang mit dem Virus auseinander gedrifteten, ja „gespaltenen“ Gesellschaften und Gemeinschaften Europas. Sie lässt keinen Zweifel daran, was alles in den vergangenen zweieinhalb Jahren „abgeräumt“ wurde und welche Züge in Richtung „paratotalitäre“ Systeme bereits abgefahren sind. Dennoch hält sie daran fest, dass wir die lange gereifte Vorstellung und Praxis von Menschlichkeit, Menschenwürde und Demokratie noch retten können.

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237

Predigtgedanken zu Lk 1, 39-56 im Requiem für Walter K.


Das Evangelium, das im berühmten „Magnificat“ gipfelt, wird am Fest Mariä Heimsuchung (2. Juli) gelesen.
Warum habe ich es für die Eucharistiefeier zu Walters Beerdigung ausgewählt, die eine Dankesfeier für sein Leben sein soll?
Sicherlich nicht, weil das Leben von Walter einige Heimsuchungen aufweist, die ihm schwer zugesetzt haben. Eher schon wegen der Gipfelerfahrungen oder peak experiences, zu denen sie ihn führten.

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235

Die Welt, die wir im Außen erleben, ist ein Abbild unserer Innenwelt. Wenn da gewaltige Umbrüche zu sein scheinen, sind sie vor allem im eigenen Inneren anzutreffen. Die Schnittmengen der jeweiligen Innenwelten mit der äußeren „objektiven“ Realität sind so subjektiv, dass sich kaum von einer gemeinsamen Außenwelt reden lässt. Sie auszublenden gelingt manch einem so perfekt, dass sie gar nicht zu existieren scheint. So lebt tatsächlicher jeder Mensch in seiner eigenen Welt, und es ist ein tägliches Wunder, dass und wie diese zahlreichen individuellen Welten nebeneinander existieren können.

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Joachim und Anna, Jojakim (hebräisch יְהוֹיָקִים jəhōjākim) und Hannah (hebr. חַנָּה channāh, ḥannâ), sind nach der christlichen Überlieferung die Eltern von Maria, der Mutter Jesu. Beider gedenkt die katholische Kirche am „Annatag“, dem 26. Juli, als der heiligen Großeltern.
Immer wieder kommt Papst Franziskus, der längst im großväterlichen Alter angekommen ist, auf die Würde und besondere Stellung der Großeltern zu sprechen; er hat sogar einen kirchlichen „Welttag der Großeltern“ und überhaupt der älteren Menschen etabliert. Im vergangenen Jahr wurde er erstmals begangen: am 24. Juli in Anlehnung an den Gedenktag der heiligen Joachim und Anna. Er soll immer am vierten Sonntag im Juli gefeiert werden. Heuer steht er unter dem Leitwort „Sie tragen Frucht noch im Alter“ (Psalm 92, Vers 15).

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233

Das griechische Wort „Kenosis“ (κένωσις) bedeutet Leerwerden oder Sich Entäußern. In der christlichen Exegese wurde damit bezeichnet, was Paulus im Philipperbrief (Phil 2,6-7) über Jesus den Christus aussagt: „Er war Gott gleich, / hielt aber nicht daran fest, G‘tt gleich zu sein, sondern er entäußerte sich / und wurde wie ein Sklave / und den Menschen gleich. / Sein Leben war das eines Menschen“. Jesus wurde in der „Kenosis“ seines ewigen G‘ttgleich-Seins ledig und unsereinem gleich im Leben als Mensch.
Wer versklavt wird, wird seiner Würde, seiner Freiheit, seines Selbstbestimmungsrechts als Mensch beraubt; sein Herr oder seine Herrin kann mit ihm/ihr machen, was er/sie will – sogar ihn umbringen oder töten lassen.

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